Zum Hauptinhalt springen

Leichte oder Einfache Sprache – ganz einfach?

Leichte oder Einfache Sprache – ganz einfach?

Warum einfach, wenn’s auch umständlich geht? – Weil Informationen und Texte, wenn wir sie einfacher formulieren, von allen Menschen leichter verstanden werden. Diese ‚Einsicht‘ hat mittlerweile auch ihren Weg in die Gesetzgebung gefunden. In den letzten Jahren haben sich Politik und Gesellschaft zunehmend um die Inklusion aller Menschen in das öffentliche Leben bemüht. Im Behindertengleichstellungsgesetz und der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung ist die Verpflichtung zur barrierefreien Kommunikation verankert: Alle Behörden und Verwaltungen müssen Informationen in Leichter Sprache zur Verfügung stellen. Auch für privatwirtschaftliche Unternehmen soll Gesetz werden, ihre Produkte und Dienstleistungen in Leichter Sprache bereitzustellen.

Leichte Sprache – davon haben viele schon gehört, aber daneben gibt es auch die Einfache Sprache. Allzu häufig werden beide verwechselt und vermischt.

Was sind die Unterschiede? In welcher „Sprache“ wollen gering Literalisierte angesprochen werden? Der folgende Text setzt sich mit diesen Fragestellungen und den Anwendungsbereichen der beiden Sprachen auseinander.

Warum wir verständlicher kommunizieren sollten

Wir kennen das alle: Manche Texte sind schwierig zu verstehen. Sie beinhalten lange Sätze und viele Fremdwörter. Behördentexte sind besonders schwierig – oftmals verstehen wir kein Wort.

Für viele Menschen ist das eine große Herausforderung im Alltag. Laut LEO-Studie 2018 haben über sechs Millionen Erwachsene in Deutschland größere Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben (Alpha-Level 1–3). Weitere knapp elf Millionen Menschen fallen unter das Alpha-Level 4. Es kennzeichnet eine ausgeprägte fehlerhafte Rechtschreibung auch bei alltäglichen Wörtern. Das bedeutet, dass 32,6 % (= Alpha-Level 1–4) der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland das Lesen und Schreiben nur ungenügend beherrschen.

Aufgrund dieser mangelnden Lese- und Schreibkompetenzen können viele Betroffene nur eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Aus Angst vor Stigmatisierung versuchen sie häufig, Situationen zu vermeiden, in denen sie mit dem Lesen oder Schreiben konfrontiert sind. Gering literalisierte Erwachsene sind damit besonders stark bedroht, gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden. Für sie wird es noch schwieriger, das alltägliche Leben zu bewältigen.

Um dies zu verhindern und Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten in das Alltagsleben zu integrieren, kann leicht verständliche Sprache helfen. Diese sogenannte barrierefreie Sprache leistet einen wichtigen Schritt zur Inklusion. Für Betroffene kann sie mehr Selbstbestimmung und Teilhabe an der Gesellschaft bedeuten. In erster Linie geht es um das Bereitstellen von Materialien mit vereinfachten Texten, die auch für Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten verständlich sind.

Die Unterschiede zwischen Leichter und Einfacher Sprache

Auch wenn Leichte Sprache – entgegen anderslautenden Gerüchten – bislang noch kein geschützter Begriff ist, folgt sie jedoch festen Regeln, die in Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Netzwerk Leichte Sprache erstellt worden sind. Sie haben einen Regelkatalog für die Anwendung herausgegeben. Um ein Prüfsiegel für Texte in Leichter Sprache zu erhalten, müssen diese Regeln eingehalten und die Texte von Expert:innen geprüft werden.

Die Einfache Sprache deckt eine größere, heterogenere Zielgruppe ab und richtet sich in erster Linie an die allgemeine Bevölkerung, die Schwierigkeiten hat komplexere Texte zu verstehen oder die Deutsch als Fremdsprache spricht. Einfache Sprache unterliegt (noch) keinen offiziellen Regeln, wodurch ihre Einordnung erschwert wird. Unterscheidungsmöglichkeiten ergeben sich aber durch die strengen Regeln und Prozesse in der Textproduktion bei der Leichten Sprache im Gegensatz zur Einfachen Sprache. Die Rechtslage bestätigt eine Differenzierung innerhalb barrierefreier Sprache und nennt beide Konzepte.

Die Einfache Sprache richtet sich an bestimmten Grundsätzen aus: Fremdwörter vermeiden, Sätze kurz halten, den Text gut strukturieren und übersichtlich gliedern. Sie ist damit flexibler und weniger starr als die Leichte Sprache.

Mittlerweile beschäftigt sich der DIN-Normenausschuss damit, eine Norm für die Einfache Sprache zu erarbeiten. Das macht die Unterscheidung vermutlich nicht einfacher, wohl aber die Anwendung und Nutzung.

Leichte Sprache

Leichte Sprache zeichnet sich laut dem Ratgeber des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und dem Netzwerk Leichte Spracheunter anderem durch folgende Punkte aus:

  • Auf Wortebene werden einfache, kurze und alltagssprachliche Wörter verwendet.
  • Wenn es nicht möglich ist, auf kurze Wörter zurückzugreifen, empfiehlt das Netzwerk Leichte Sprache, die Wörter mit einem Bindestrich zu trennen.
  • Abkürzungen wie „bzw.“, Fremdwörter, Metaphern oder Synonyme werden erklärt; teilweise auch ihre Aussprache, wenn es sich zum Beispiel um Anglizismen handelt, die nicht sinngemäß übersetzt werden können.
  • Auf Nebensätze wird weitgehend verzichtet. Es soll auf kurze Sätze mit nur einer Aussage bzw. Information sowie auf einen einfachen Satzbau geachtet werden.
  • Auch erlaubt sind in der Leichten Sprache Satzellipsen, also das Auslassen von Satzteilen.
  • Verben werden Nominalkonstruktionen vorgezogen.
  • Genitiv, Konjunktiv sowie Passiv sind zu vermeiden.
  • Zahlen werden meistens nicht ausgeschrieben, sondern in Ziffern angegeben.

Daneben gibt es auch formale und typografische Vorgaben der Leichten Sprache:

  • Es wird eine größere, serifenlose Schrift verwendet (Schriftgröße 14 oder mehr).
  • Bevorzugt werden ein größerer Zeilenabstand, eine linksbündige Schreibweise und Absätze nach jedem Satzzeichen.
  • Zwischenüberschriften dienen einer übersichtlicheren Lesbarkeit.
  • Wichtige Dinge werden durch fette Wörter oder Texthervorhebungsfarbe betont.
  • Begleitende Bilder, in erster Linie einfache Illustrationen, können helfen, das Geschriebene zu verstehen.

Durch diese besondere Anpassung des Schriftbilds haben Texte in Leichter Sprache einen hohen Wiedererkennungswert. Das Besondere an der Leichten Sprache ist, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten die übersetzten Texte selbst auf Verständlichkeit prüfen. Leichte Sprache wurde somit von und für Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt.

Mittlerweile existieren bundesweit zahlreiche Büros für die Übersetzung von Texten in Leichte Sprache. Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDU) vertritt ungefähr 80 Prozent der organisierten Übersetzer:innen und hat seinen Tätigkeitsbereich auf die Leichte Sprache ausgeweitet, genauso wie die Assoziierten Dolmetscher und Übersetzer in Norddeutschland (ADU).

Auch wird der Leichten Sprache heutzutage im universitären Kontext Beachtung geschenkt: Seit 2011 hat sie einen Platz in den Übersetzungsmasterstudiengängen „Medientext und Medienübersetzung“ und „Internationale Fachkommunikation: Sprache und Technik“ sowie „Barrierefreie Kommunikation“ an der Universität Hildesheim. Dort am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation wurde 2014 außerdem die Forschungsstelle Leichte Sprache gegründet. Sie vergibt Siegel für Leichte und Einfache Sprache. Vorgelegte Texte in Leichter oder Einfacher Sprache durchlaufen dabei einer Abfolge wissenschaftlicher Prüfungen und müssen auf Basis der Ergebnisse überarbeitet und angepasst werden.

Einfache Sprache

Im englischsprachigen Raum geht das Konzept der Einfachen Sprache („Plain Language“) auf eine langjährige Entwicklung von Richtlinien und Textpraxis zurück. Die ursprüngliche Idee war, juristische und administrative Kommunikation zwischen Expert:innen und Laien bzw. Bürger:innen verständlich zu gestalten. In Deutschland ist dieses Konzept im Vergleich allerdings noch wenig etabliert.

Einfache Sprache kann in ihrem Grad an Komplexität zwischen Leichter Sprache und Standardsprache bzw. Fachsprache angesiedelt werden. Sie kann als Erweiterung Leichter Sprache oder als Reduktion von Standardsprache gesehen werden. So stellt Einfache Sprache eine vereinfachte Variante der deutschen Sprache dar, unterliegt allerdings nicht ganz so strikten Regeln wie die Leichte Sprache.

Oft weicht die Einfache Sprache weniger stark von den Ausgangstexten ab. Sie entspricht ungefähr dem Sprachniveau B1. Die Sätze werden kürzer gehalten und die Satzstruktur ist weniger komplex. Einfache Sprache zeichnet sich unter anderem durch folgende Merkmale aus:

  • Gebräuchlich sind gängige und kurze Wörter. Zum Beispiel kann statt dem Wort „präzise“ das Wort „genau“ verwendet werden.
  • Auf den Einsatz von Fremd- und Fachwörtern wird größtenteils verzichtet, obgleich angenommen wird, dass im Vergleich zur Leichten Sprache eine umfangreichere Anzahl von Wörtern bekannt ist. Anstelle von „Medikation“ oder „Konversation“ ist es zum Beispiel sinnvoll, die Wörter „Medizin“ bzw. „Gespräch“ zu verwenden.
  • Wenn schwere Wörter und Anglizismen nicht vermieden werden können, werden sie erklärt. Zum Beispiel: „Lisa hat heute ein Meeting. Das ist ein Treffen mit anderen Kollegen und Kolleginnen. Dabei sprechen sie über wichtige Dinge.“
  • Auch in der Einfachen Sprache sind kurze Sätze gebräuchlich. Ein Satz besteht in der Regel aus nicht mehr als 15 Wörtern.
  • Nebensätze können vorkommen, wobei jedoch auch hier ein einfacher Satzbau im Vordergrund steht. Zum Beispiel: „Wenn Sie mir sagen, was Sie wünschen, kann ich Ihnen helfen“ – besser ist: „Ich kann Ihnen helfen. Bitte sagen Sie mir: Was wünschen Sie?“
  • Das Aktiv wird dem Passiv vorgezogen. Anstatt zu sagen: „Das Essen wird von dem Kellner gebracht“ ist besser: „Der Kellner bringt das Essen“.
  • Der Konjunktiv wird vermieden bzw. findet eher selten Anwendung. Beispielsweise ist dem Satz: „Morgen könnte es regnen“ die Formulierung: „Morgen regnet es vielleicht“ vorzuziehen.

Auch in den formalen Vorgaben ähnelt die Einfache Sprache der Leichten Sprache, ist aber bei der Formatierung des Textes weniger strikt:

  • Die Schrift sollte serifenlos und groß sein.
  • Texte werden durch Absätze, Zwischenüberschriften und Hervorhebungen gegliedert.
  • Zusammengesetzte Wörter müssen nicht zwingend mit Bindestrich geschrieben werden, es kann an gegebener Stelle aber hilfreich sein.
  • Es kommen weniger bis keine Bilder zum Einsatz.

In Einfacher Sprache sieht eine Textanpassung zum Beispiel so aus:

Standardsprache:

Der Klimawandel bezieht sich auf die allmähliche Erhöhung der Durchschnittstemperatur der Erde. Diese Erwärmung wird hauptsächlich durch den Ausstoß von Treibhausgasen verursacht, die durch menschliche Aktivitäten wie die Verbrennung von fossilen Brennstoffen und Entwaldung freigesetzt werden. Der Klimawandel hat weitreichende Auswirkungen auf das Klimasystem, darunter häufigere und intensivere Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Stürme.

Einfache Sprache:

Was ist der Klimawandel?

Der Klimawandel ist, wenn die Erde wärmer wird.

Das passiert, weil Menschen zu viele schädliche Dinge in die Luft setzen.

Zum Beispiel Rauch von Autos und Fabriken.

Die warme Erde macht das Wetter extremer. Es gibt mehr Hitze, Überschwemmungen und Stürme.

Im Gegensatz zur Leichten Sprache wird die Prüfung bei der Einfachen Sprache durch Betroffene noch nicht so konsequent in den Prozess der Textproduktion einbezogen.

Welche „Sprache“ hilft Menschen mit Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben?

Leichte Sprache richtet sich hauptsächlich an Personen mit kognitiven Einschränkungen. Von Einfacher Sprache profitieren aber auch viele andere Menschen, deren Lesefähigkeiten aus unterschiedlichen Gründen eingeschränkt sind. Nach unserer Erfahrung bevorzugen gering Literalisierte die Einfache Sprache, da sie weniger ‚kindlich‘ klingt und dem Sprachgebrauch und der Lebensrealität dieser Menschen näher ist.

Darum hat das Grund-Bildungs-Zentrum Berlin auch für den Erhalt des Alpha-Siegels u. a. die Anpassung von Kommunikationsmaterialien mindestens in Einfacher Sprache verpflichtend gemacht.

Wir sind begeistert, dass sich in den letzten Jahren immer mehr Unternehmen und Organisationen auf den Weg machen und Teile ihrer Angebote wie Flyer, Infomaterial oder Websites verständlicher gestalten.

In Leichter oder auch in Einfacher Sprache zu schreiben ist gar nicht so „einfach“. Welche „Sprache“ Sie benutzen, ist von Ihren Zielgruppen abhängig. Wenn Sie sich unsicher sind, fragen Sie Ihre Kund:innen, Klient:innen und Ratsuchenden, was sie besser verstehen.
Hilfe bei der Übersetzung sowohl in Leichte als auch in Einfache Sprache finden Sie u. a. bei verschiedenen Übersetzungsbüros. Eine Auswahl finden Sie im Netz.

beziehungsweise

Von Stigmatisierung spricht man, wenn eine Person oder eine Personengruppe aufgrund eines bestimmten Merkmals, einer Eigenschaft oder eines Zustandes in negativer Weise von anderen abgegrenzt oder unterschieden wird.

Einfache Sprache ist eine Form der Sprache, die darauf abzielt, Informationen für Menschen mit begrenzten sprachlichen Fähigkeiten oder kognitiven Einschränkungen leicht verständlich und zugänglich zu machen. Sie liegt zwischen der Standardsprache und der Leichten Sprache.

Leichte Sprache ist eine vereinfachte Form des Deutschen. Und damit ein Instrument für Barrierefreiheit. Sie folgt bestimmten Regeln: Der Text besteht zum Beispiel nur aus kurzen Sätzen und einfachen Wörtern. Außerdem helfen Bilder und Symbole, den Inhalt besser zu verstehen.

Nach
oben