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Tipps für Angehörige & UmfeldAnalphabeten erkennen, ansprechen und unterstützen

Vielleicht kennen Sie solche Situationen:

  • Ihre Kundin hat die Brille vergessen und kann das Formular nicht ausfüllen.
  • Bei einem Klienten, der in Ihre Schuldnerberatung kommt, haben sich viele Schulden angehäuft, weil Rechnungen nicht bezahlt wurden und auf Mahnungen nicht reagiert wurde.
  • Oder Ihr Mann hält sich nicht an den ausgeklügelten Ernährungsplan. Dabei haben Sie ihn doch extra für ihn ausgedruckt.
  • Ihre Mitarbeiterin füllt die Dokumentation falsch aus.

Wenn sich solche Situationen häufen, kann es sein, dass die betroffene Person Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben hat.

Probleme mit dem Lesen und Schreiben?

Wir beraten Betroffene und Angehörige

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Tabus abbauen, offen miteinander sprechen und verstehen

Fast die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland kennt jemanden, der oder die fehlerhaft schreibt oder sogar sehr ernsthafte Schwierigkeiten mit der Schriftsprache hat.

Nicht ausreichend lesen und schreiben zu können ist in unserer Gesellschaft immer noch ein Tabu. Viele Betroffene sprechen es deswegen nicht von sich aus an. Im Gegenteil: Viele Menschen mit Problemen beim Lesen und Schreiben haben Strategien entwickelt, um unerkannt zu bleiben. Manchmal wissen selbst nahestehende Menschen nicht Bescheid.

Ziel ist es, das Tabu abzubauen und die Teilhabe von gering literalisierten Menschen zu ermöglichen.
Vorteil für Sie als Angehörige:r oder Person, die mit potenziellen Betroffenen zusammenarbeitet, kann sein, dass Ihr Gegenüber sich mittelfristig weniger von Ihnen helfen lassen muss, Sie Zeit für das ‚Umschiffen‘ des Tabuthemas sparen und im Kundenkontakt oder unter Kolleg:innen produktiver miteinander arbeiten.

© Foto: Andreas Schwarz

Betroffene ansprechen – ja oder nein?

Sie fragen sich sicher: Soll ich das ansprechen oder einfach das Formular stellvertretend ausfüllen?

Wie bei vielen anderen Problematiken auch (z. B. Sucht) gerät man schnell in einen Teufelskreis aus Verschweigen und stellvertretendem Handeln. Das hilft niemandem.

Besser ist es meistens, wenn man Probleme offen anspricht und zusammen nach Unterstützung und Hilfsangeboten sucht. Und vielleicht die ersten Schritte gemeinsam macht.

Wie spreche ich Betroffene an? Tipps für eine gelungene Ansprache

Die Ansprache ist davon abhängig, in welchem Verhältnis Sie zu der betreffenden Person stehen: Ist diese ein:e Angestellte:r, ein:e Klient:in oder Ihr:e Partner:in? Je nachdem ist die Ansprache unterschiedlich zu gestalten.

Als Berater:in sind Sie geschult im Umgang mit schwierigen Themen, als Freund:in oder Bekannte:r haben Sie vielleicht keine Übung und trauen sich das gar nicht zu. Holen Sie sich in diesem Fall Hilfe bei Beratungsstellen oder Anbieter:innen von Lernangeboten, die Erfahrung im Umgang mit gering Literalisierten haben. Zum Beispiel bei uns im Grund-Bildungs-Zentrum oder auch in Volkshochschulen und bei anderen Träger:innen von Grundbildungs- und Beratungsangeboten.

Achten Sie bei der Ansprache unbedingt auf Folgendes:

  • Nehmen Sie eine freundliche, vertrauensvolle und zugewandte Haltung ein.
  • Vermeiden Sie unbedingt Schuldzuweisungen oder gar Beschämungen.
  • Suchen Sie sich einen ruhigen, geschützten Raum.
  • Nehmen Sie eine passende Situation zum Anlass (z. B. eine Lese- und Schreibsituation).
  • Zeigen Sie Wertschätzung.
  • Weisen Sie auf Lern- und Beratungsangebote hin.
  • Vermitteln Sie den Kontakt dorthin.
  • Als Angehörige:r: Holen Sie sich Hilfe, z. B. im GBZ.

  • Reagieren Sie sofort darauf, wenn jemand das Thema von sich aus anspricht, und bieten Sie Ihre Unterstützung an.
  • Nutzen Sie konkrete Anlässe, bei denen eine vertrauliche Ansprache machbar ist.
  • Wenn möglich, bereiten Sie sich auf das Gespräch vor (siehe unten).
  • Konzentrieren Sie sich auf das Thema. Behandeln Sie nicht mehrere schwere Themen in einem Gespräch.

  • Suchen Sie sich einen ungestörten Ort für das Gespräch.
  • Am besten führen Sie das Gespräch unter vier Augen in einer sicheren und ruhigen Umgebung. Machen Sie deutlich, dass Sie die Informationen vertraulich behandeln.

  • Sprechen Sie offen über das Thema. Betonen Sie, dass es für Sie kein Tabuthema ist.
  • Nutzen Sie eine konkrete Situation oder eine Beobachtung als Gesprächseinstieg. Lassen Sie gerne Ihre:n Gesprächspartner:in wissen, dass Probleme beim Lesen und Schreiben kein Einzelfall sind, sondern viel häufiger vorkommen, als angenommen.
  • Bestärken Sie Ihr Gegenüber. Konzentrieren Sie sich auf dessen Fähigkeiten und Kompetenzen.
  • Machen Sie Mut und helfen Sie dadurch, dass die betroffene Person zu Veränderungen bereit ist.
  • Unterstützen Sie dabei, den ersten Schritt zu gehen. Oft hilft es schon, den ersten Kontakt zu Kursanbieter:innen oder zur Beratungsstelle herzustellen.
  • Falls möglich, geben Sie konkrete Informationen über Lernangebote (siehe unten).

Wo finde ich Informationen, Beratung und Lern- und Unterstützungsangebote?

Als Kompetenzzentrum und zentrale Anlaufstelle für das Thema Grundbildung und Alphabetisierung in Berlin stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wir wissen aus Erfahrung sehr gut, wie man gering literalisierte Erwachsene unterstützt, begleitet und motiviert.

Außerdem finden Sie bei uns alle wichtigen Informationen zum Thema und eine Sammlung aller Berliner Lern- und Beratungsangebote. Gemeinsam helfen wir Betroffenen, den richtigen Lernort zu finden!

Neben Beratungen führen wir auch regelmäßig Sensibilisierungsschulungen durch. Hier erhalten Sie grundlegende Informationen zum Thema Alphabetisierung und Grundbildung und Handlungsstrategien für den Umgang mit Menschen mit Schriftsprachproblemen.

Sabine Johland
© Foto: Andrea Katheder

Ihre Ansprechpartnerin

Sabine Johland

Björn Helbig
© Foto: Andrea Katheder

Ihr Ansprechpartner

Björn Helbig

Als Analphabet wird jemand bezeichnet, der nicht lesen und schreiben kann. In Deutschland ist dies sehr selten. Viele Menschen, die Probleme mit dem Lesen und Schreiben haben, können meist Buchstaben und Wörter lesen, haben aber Probleme mit Texten. Auch weil das Wort „Analphabet“ ausgrenzend ist, sprechen wir besser von „gering literalisierten Personen“. Viele Betroffene bezeichnen sich allerdings selbst manchmal als Analphabeten, weil der Begriff bekannt ist und nicht erklärt werden muss.

Analphabetismus bedeutet, dass jemand überhaupt nicht lesen und schreiben kann. Dies ist in Deutschland sehr selten. Viele Menschen haben aber große Probleme mit dem Lesen und Schreiben schon von einfachen Texten. Weil das Wort betont, etwas nicht zu können, und damit ausgrenzt, sprechen wir eigentlich lieber von „geringer Literalität“. Viele Betroffene bezeichnen sich allerdings selbst manchmal als Analphabeten, weil der Begriff bekannt ist und nicht erklärt werden muss.

Wir haben uns – mit Bauchschmerzen – für die Verwendung des Begriffs auf dieser Website entschieden, da viele Menschen über den Suchbegriff „Analphabetismus“ auf unsere Angebote stoßen und diese nutzen können.

Grund-Bildungs-Zentrum

Es gibt bundesweit verschiedene GBZ. Die GBZ beraten Betroffene und ihre Angehörigen, informieren die Öffentlichkeit über Schriftsprachschwierigkeiten und bauen Netzwerke auf. Viele bieten Lernangebote an. In Berlin gibt es keine Kursangebote.

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