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Zahlen & FaktenWas wir über Analphabeten in Deutschland wissen – in Zahlen und Grafiken

6,2 Millionen der Deutsch sprechenden Erwachsenen in Deutschland sind von sogenannter geringer Literalität betroffen und haben Probleme mit dem Rechnen, Schreiben und beim Lesen und Verstehen einfacher Texte.

Die Ursachen von Analphabetismus sind vielschichtig und setzen sich beispielsweise häufig aus sozialen Faktoren und negativen Erfahrungen in der Schule zusammen. Ebenso erstrecken sich die Auswirkungen über viele Lebensbereiche und können die gesellschaftliche Teilhabe Betroffener erheblich einschränken.

Die hier präsentierten Statistiken und Fakten sind der Studie „LEO 2018 – Leben mit geringer Literalität“ entnommen, Deutschlands umfassendster Studie zum Thema, die 2018 von Wissenschaftler:innen der Universität Hamburg durchgeführt wurde: Download Presseheft (PDF, 2,58 MB)

Die – teils erschreckenden, teils erstaunlichen – Zahlen verdeutlichen die Dimensionen des Problems und seine Relevanz für unsere Gesellschaft insgesamt. Sie zeigen, wie wichtig alle Initiativen für mehr Aufklärung und zur Enttabuisierung von Analphabetismus sind, und warum Grundbildung und Alphabetisierung eine wichtige Aufgabe sind und bleiben. Außerdem können sie als Argumentationshilfe gegen Vorurteile gegenüber Betroffenen dienen.

Auf dieser Seite:

Zahlen und Fakten zur Übersicht

Jede:r achte deutschsprechende Erwachsene kann einen Text nicht sinnentnehmend lesen und schreiben. Das entspricht 12,1 % der Bevölkerung bzw. rund 6,2 Millionen Personen. 58,4 % der Betroffenen sind Männer und 41,7 % sind Frauen.
Rechnet man diese Zahlen – methodisch und statistisch allerdings nicht belastbar – auf Berlin hoch, ergibt das rund 300.000 Betroffene in der Hauptstadt.

Anteile an der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland, Quelle: LEO 2018
Anteile von Frauen und Männern, Quelle: LEO 2018

Alter, Erstsprache und Familienstand

Am stärksten betroffen sind Menschen im Alter zwischen 46 und 55 Jahren, die Mehrheit aller Betroffenen (knapp 70 %) ist älter als 35 Jahre. Die Corona-Pandemie und Folgen der Digitalisierung könnten diesen Befund in Zukunft allerdings verändern.
Mehr als die Hälfte der Betroffenen hat Deutsch als Herkunftssprache. Der Familienstand gering literalisierter Personen kann insofern eine Rolle spielen, wenn z. B. in Partnerschaften nur eine Person wichtigen Schriftverkehr übernimmt und dadurch Abhängigkeiten entstehen oder Analphabetismus sich verstärkt.

gering Literalisierte nach Altersgruppen, Quelle: LEO 2018
Anteile von Betroffenen nach Herkunftssprachen, Quelle: LEO 2018
Anteile von Personen nach Familienstand, Quelle: LEO 2018

Bildung und Beruf

Menschen mit geringen Schreib- und Lesekompetenzen haben häufiger einen niedrigen Schulabschluss oder die Schule vorzeitig verlassen. Auch nach der Schule ist der Zugang zu Fort- und Weiterbildung (sowie zu Angeboten der Grundbildung und Alphabetisierung) für diese Personen erschwert. Berufliche Einschränkungen können die Folge sein: 12,9 % der gering literalisierten Erwachsenen sind arbeitslos.

Anteile von Betroffenen nach Schulabschluss, Quelle: LEO 2018
Anteile von Betroffenen nach Erwerbssituation, Quelle: LEO 2018

Berufliche Stellung nach Lese- und Schreibkompetenz, Quelle: LEO 2018

Mobilität

Gering literalisierte Menschen nutzen öffentliche Verkehrsmittel häufiger als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Trotzdem kann die mangelnde Fähigkeit, Fahrpläne und Verkehrsinformationen zu lesen, zu Einschränkungen in der Mobilität führen und die Unabhängigkeit von Betroffenen beeinträchtigen. Umso wichtiger ist es, hier Hürden für Menschen mit Lese- und Schreibproblemen zu verringern.

Nutzung von Verkehrsmitteln, Quelle: LEO 2018

Medien und Digitalisierung

Viele gering literalisierte Erwachsene nutzen digitale Angebote nur begrenzt oder gar nicht und haben beispielsweise Probleme, einen Computer mit Internetzugang zu benutzen oder E-Mails zu schreiben. Einen Vorteil bieten hingegen digitale Möglichkeiten wie Sprachnachrichten oder Videotelefonie mit Smartphones.
Der Zugang zu Online-Diensten und vor allem zu Informationen ist für Betroffene dennoch mit vielen Barrieren verbunden und die digitale Teilhabe damit stark eingeschränkt. Das Lesen von Nachrichten und Zeitungen oder das Ausfüllen und Versenden von Dokumenten und Formularen ist eine große Hürde.

Ausüben digitaler Praktiken, Quelle: LEO 2018

Ausüben politischer Praktiken, Quelle: LEO 2018

Gesundheit

Soziale Benachteiligungen, untern denen gering literalisierte Erwachsene häufig leiden, können krank machen. Darüber hinaus sind Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten, wenn sie krank sind, zusätzlich benachteiligt: Der Zugang zu Informationen ist erschwert und die korrekte Umsetzung von ärztlichen Anweisungen eingeschränkt. Oft werden ‚Arztsituationen‘ sogar vermieden, Krankheiten spät erkannt oder verschleppt.

Lesen von Beipackzetteln von Medikamenten, Quelle: LEO 2018

Ausfüllen von Formularen beim Arzt oder im Krankenhaus, Quelle: LEO 2018

Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit – Zahlen aus dem Grund-Bildungs-Zentrum

Die Zahlen und Fakten der LEO-Studie sprechen eine deutliche Sprache und rütteln auf. So ging es uns jeder und jedem einzelnen auch, als uns erstmals die Dimensionen des Problems Analphabetismus vor Augen geführt wurden.
Als Grund-Bildungs-Zentrum Berlin möchten wir Veränderungen anstoßen und in der Gesellschaft einen offenen und konstruktiven Umgang mit geringer Literalität schaffen – damit Lösungen greifen und langfristig wirksam sind. Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit gehören darum zu unseren Kernaufgaben.

Sensibilisierungsschulungen: Aufklärung und konkrete Handlungsstrategien für den Kontakt mit Betroffenen (Stand Februar 2024) [Der teilweise Rückgang der Zahlen ist auf die Pandemie zurückzuführen.]

Sensibilisierte Personen, beispielsweise Mitarbeitende in Behörden, Bibliotheken, Stadtteilzentren usw., sind „Mitwisser:innen“ und damit Multiplikator:innen für das Thema Grundbildung und Alphabetisierung. Oft stehen sie in ihrem Arbeitsumfeld als Ansprechpartner:innen zur Verfügung (Stand: Februar 2024). [Der teilweise Rückgang der Zahlen ist auf die Pandemie zurückzuführen.]

Kanäle und Reichweiten der Öffentlichkeitsarbeit (Stand: Juli 2023)

Sie möchten mehr wissen oder auf dem Laufenden bleiben? Abonnieren Sie unsere Kanäle, nehmen Sie kostenlos an einer Sensibilisierungsschulung teil oder kontktieren Sie uns:

Multiplikatoren und Multiplikatorinnen können Personen aber auch Einrichtungen oder Medien sein. Sie stehen in ihrem Arbeitsalltag mit Menschen und verschiedenen (Ziel-)gruppen im Kontakt. Sie kennen unsere Themen Alphabetisierung und Grundbildung. Sie geben Informationen, ihr Fachwissen und ihr Können an andere weiter und machen diese dadurch einem breiteren Personenkreis zugänglich.

beziehungsweise

Als Analphabet wird jemand bezeichnet, der nicht lesen und schreiben kann. In Deutschland ist dies sehr selten. Viele Menschen, die Probleme mit dem Lesen und Schreiben haben, können meist Buchstaben und Wörter lesen, haben aber Probleme mit Texten. Auch weil das Wort „Analphabet“ ausgrenzend ist, sprechen wir besser von „gering literalisierten Personen“. Viele Betroffene bezeichnen sich allerdings selbst manchmal als Analphabeten, weil der Begriff bekannt ist und nicht erklärt werden muss.

Analphabetismus bedeutet, dass jemand überhaupt nicht lesen und schreiben kann. Dies ist in Deutschland sehr selten. Viele Menschen haben aber große Probleme mit dem Lesen und Schreiben schon von einfachen Texten. Weil das Wort betont, etwas nicht zu können, und damit ausgrenzt, sprechen wir eigentlich lieber von „geringer Literalität“. Viele Betroffene bezeichnen sich allerdings selbst manchmal als Analphabeten, weil der Begriff bekannt ist und nicht erklärt werden muss.

Wir haben uns – mit Bauchschmerzen – für die Verwendung des Begriffs auf dieser Website entschieden, da viele Menschen über den Suchbegriff „Analphabetismus“ auf unsere Angebote stoßen und diese nutzen können.

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